Acta litterarum
►
Impressum
►
Renate Solbach
►
Camera inversa
►
Eine Frau von fünfzig Jahren
Camera inversa
Renate Solbach: Camera inversa | Eine Frau von fünfzig Jahren 5/4
Je mehr es gelang, Teile des eigenen Universums, des je erlebten Welt- und Selbstverständnisses in diese ›Sprachform‹ zu überführen, desto mehr gelang Schreiben als ein Schreiben gegen den Tod, gegen das ›Nicht-mehr-Sein‹. Das ist der Unterschied zwischen dem Feuer, das in dir brennt und die Dinge verwandelt, sie in einen anderen Aggregatzustand überführt, und dem Feuer, das die Dinge von außen erfasst und alles in Schutt und Asche legt. Selbst wenn es wärmt, am Ende steht die Zerstörung. Erloschen. Eine kalte und leere Welt.
Darf ich das Bekenntnis wagen, dass ein schöner Gegenstand, der aus der Feuerprobe hervorgegangen ist, mir immer wieder eine Sternengeschichte vergegenwärtigt? Ich bewege in meinem Sinn, dass eine bewohnbare Erde oder ein bewohnbarer Mars schließlich nichts anderes sind denn erkaltete Körper...
Das rastlose Feuer. Das ›Ewige Licht‹ erinnerte sie immer ein wenig daran. Klein, rot, flackernd. Eine beständige Mahnung in großen, kalten Kirchenschiffen. In Städten, in die ihre Reisen sie führten, verweigerte Claire keiner alten Kirche ihren Besuch. Leere Kirchen waren ihr Orte ungestörter Besinnlichkeit. Orte der Kindheit. All die Bilder und Fresken vor denen sie stundenlang ihren Gedanken nachhängen konnte. In diesen Kirchen prangte das kleine rote Licht. Es wärmt nur in Gedanken, bringt die Dinge von innen zum Leuchten. Versenken in einen Gegenstand. Verwandlung? Erleuchtung? Kam das nicht einer Selbstauslöschung gleich?
© Acta litterarum 2009