Renate Solbach: Camera inversa | Eine Frau von fünfzig Jahren 12/09
Das Taxi war da. Claire löste sich mit einem entschiedenen Ruck von dem Anblick, der sie seit ihrer Rückkehr an diesen Ort gefangen hielt. Sie war eine Frau von Fünfzig, die ihren Weg zu Ende gehen wollte. Einen Weg, der forderte, dass sie die vergangenen Dinge und Geschehnisse vergangen sein und sich gleichzeitig von ihnen leiten ließ. Einen Weg, der forderte, dass sie den Zeitgeist zur Kenntnis nahm, sich mit ihm auseinandersetzte, sich aber nicht von ihm bestimmen ließ. Einen Weg, der zu einem Ort führte, der Schreiben hieß und ein Standort war. Und frei, der alten starren Regeln ledig, das Spiel noch einmal zu eröffnen, mit jungen Augen auf die Welt zu sehen. Furchtlos. Ihr Zorn war verflogen. Sie war ungeduldig zu sehen und zu erfahren, was das mit sich bringen würde. In zwei Stunden startete das Flugzeug. Es brachte sie zurück in kühlere Gegenden, in ihr Winterquartier. Nie mehr würde sie an diesen Ort zurückkehren.
   © Acta litterarum 2009