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»Prego signora.« – Der trotz des sonnenarmen Frühjahrs smart gebräunte Kellner stellte einen Aschenbecher auf den Tisch. Claire saß auf der Südterrasse des Hotel Camin und rührte gedankenverloren in ihrem Cappuccio. Eine helldunkle Haube aus aufgeschäumter Milch und Kakao hielt die aus dem Kaffee aufsteigenden Geschichten unter Verschluss. Die Schriftsteller in den Cafés der Erzählungen, diese clairvoyantes der modernen Literatur, bestellten express oder caffé ...an diesem traditionellen Ort des Erzählens, des Aufwärmens von Erinnerungen, wie Franziska sagte, wenn es auch meist eine verschwundene Figur war... und waren fast immer Männer, die diese Errungenschaft zäh verteidigten und den Leser mit verinnerlichtem Blick auf die Umgebung vorsätzlich täuschten. Im Café Les Deux Magots hatte er stundenlang bei einer kleinen Tasse Espresso allein an einem hellen Fenster gesessen. Die letzte Schachtel Zigaretten war aufgeraucht – eine billige türkische Sorte, Salomé, die er ohnehin verabscheute –, die Aussicht auf den Erwerb einer weiteren an diesem Tag gleich null. Kaffee? – Kaffee! – Millionenmal durchgefiltertes Getränk, das gleichwohl nichts von seiner stimulierenden Wirkung verlor. Zehn Zeilen später standen Terrinen mit in Zitronenwasser schwimmenden Flusskrebsen, riesigen Langusten, Gemüse à la Julienne oder eine Tarte aux Pommes auf dem Tisch und hielten die Aufmerksamkeit des Lesers gefangen, während die Geschichte sich unter der Hand entwickelte. Natürlich spielte das immer an Orten wie Paris, Honfleur, Nizza oder Argenteuil. Stellen sie sich das Ganze in einem Cafe in Wanne-Eickel vor. Unmöglich. Zu viele Silben, zu wenig Flair.