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Man muss sich töten, um schreiben zu können. Ich glaube, das ist es, es ist solch eine Art von Leben. Ich glaube, dass ich in der Gemeinschaft nur sein kann durch etwas anderes als ich selbst, indem ich selbst abwesend bin. Niemand nimmt sich das Leben wegen einer abgelehnten Doktorarbeit. Ein wenig umgearbeitet war sie in einem kleinen Verlag erschienen. Lilith vertrat von je her die Ansicht, es sei wichtig – zumindest für sie und jeden denkenden Menschen – und erhöhe die Qualität des Lebens enorm, wenn man wisse, wie man notfalls aussteigen könne. Aussteigen hatte sie es genannt und damit nicht Schafe züchten in Australien oder Neuseeland gemeint. Claire seufzte. Durch die intensiven Gespräche war ihr Liliths Arbeit von innen her vertraut geworden. Lilith teilte jeden Gedanken mit. Ein wenig zu freigiebig, wie der Doktorvater ihr neben den in Claires Augen völlig abstrusen Argumenten für die Ablehnung gegen die Arbeit gesteckt hatte. »Wissen Sie, Frau Söhnlein«, hatte er von tröstender Geste begleitet posaunt, »selbst wenn sie die Arbeit noch einmal einreichen sollten und gesetzt den Fall, ich könnte mich dazu durchringen, sie durchkommen zu lassen, die Altersgrenze für eine Assistentenstelle haben sie längst überschritten und jemanden wie Sie kann ich doch nicht als Hilfskraft beschäftigen.« Tagelang hatten sie gegrübelt, was er gemeint haben könnte: eine Frau mit ihren Ansichten im feministischen Zeitalter oder eine Frau mit ihrem Wissen und Können? Es waren müßige Überlegungen – »ich habe diese Bestimmungen nicht erfunden«, lautete sein ultimativer Spruch. Zudem ein Nebenschauplatz, darin waren Lilith und Claire sich einig. Wie viele Stunden, Tage, Wochen hatten sie mit solchen Überlegungen zugebracht, nachdem Lilith ihre Arbeit zurückgezogen hatte. Es hatte sie in dieser Form nie gegeben, darauf einigte man sich. Er, sie und das Dekanat. Lilith schrieb das Manuskript um, tilgte alle Hinweise auf eine Dissertation, gab das Manuskript beim Verlag ab und verschwand. Ohne ein Wort. Das Zimmer in der WG geräumt, das Handy abgestellt – bis zu dem Tag, an dem ein Anruf die Nachricht zutage förderte, dieser Teilnehmer existiere nicht.
Man muss sich töten, um schreiben zu können. Ich glaube, das ist es, es ist solch eine Art von Leben. Ich glaube, dass ich in der Gemeinschaft nur sein kann durch etwas anderes als ich selbst, indem ich selbst abwesend bin. Niemand nimmt sich das Leben wegen einer abgelehnten Doktorarbeit. Ein wenig umgearbeitet war sie in einem kleinen Verlag erschienen. Lilith vertrat von je her die Ansicht, es sei wichtig – zumindest für sie und jeden denkenden Menschen – und erhöhe die Qualität des Lebens enorm, wenn man wisse, wie man notfalls aussteigen könne. Aussteigen hatte sie es genannt und damit nicht Schafe züchten in Australien oder Neuseeland gemeint. Claire seufzte. Durch die intensiven Gespräche war ihr Liliths Arbeit von innen her vertraut geworden. Lilith teilte jeden Gedanken mit. Ein wenig zu freigiebig, wie der Doktorvater ihr neben den in Claires Augen völlig abstrusen Argumenten für die Ablehnung gegen die Arbeit gesteckt hatte. »Wissen Sie, Frau Söhnlein«, hatte er von tröstender Geste begleitet posaunt, »selbst wenn sie die Arbeit noch einmal einreichen sollten und gesetzt den Fall, ich könnte mich dazu durchringen, sie durchkommen zu lassen, die Altersgrenze für eine Assistentenstelle haben sie längst überschritten und jemanden wie Sie kann ich doch nicht als Hilfskraft beschäftigen.« Tagelang hatten sie gegrübelt, was er gemeint haben könnte: eine Frau mit ihren Ansichten im feministischen Zeitalter oder eine Frau mit ihrem Wissen und Können? Es waren müßige Überlegungen – »ich habe diese Bestimmungen nicht erfunden«, lautete sein ultimativer Spruch. Zudem ein Nebenschauplatz, darin waren Lilith und Claire sich einig. Wie viele Stunden, Tage, Wochen hatten sie mit solchen Überlegungen zugebracht, nachdem Lilith ihre Arbeit zurückgezogen hatte. Es hatte sie in dieser Form nie gegeben, darauf einigte man sich. Er, sie und das Dekanat. Lilith schrieb das Manuskript um, tilgte alle Hinweise auf eine Dissertation, gab das Manuskript beim Verlag ab und verschwand. Ohne ein Wort. Das Zimmer in der WG geräumt, das Handy abgestellt – bis zu dem Tag, an dem ein Anruf die Nachricht zutage förderte, dieser Teilnehmer existiere nicht.