Renate Solbach: Camera inversa | Klytämnestras Gefangene 7/2
Die Werbung des Mannes hatte längst vergessen Geglaubtes freigesetzt. Mit einem Mal wusste sie, dass die Verknüpfung beliebig war, dass ihre Gefühle einer anderen Person galten. Ein jähes Eingeständnis. Der Impuls zur Niederschrift entsprang dem Wunsch nach Klärung. Insgeheim hoffte sie, die Reise möge nie zu Ende gehen. Später hatte sie sich gewundert, dass es ihr nicht in den Sinn gekommen war, umzukehren, den Zug beim nächsten Halt einfach zu verlassen.
Seit damals waren Reisen zu einem ›Raum‹ ungestörter Vergewisserung geworden. Die eigentümliche Erfahrung hatte noch eine andere Ebene. Für Hannah war handgreiflich geworden, was ihr theoretisch vertraut war: Schreiben als Reise nach innen, die sich in den schwarzen Buchstabenkolonnen sinnfällig abgebildet fand. Auffällig war das Zusammentreffen von erstem Schreiben und dem Gefühl, sich auf dem falschen Weg zu befinden. Schreiben hieß, einen eigenen finden.
   © Acta litterarum 2009