Renate Solbach: Camera inversa
| Klytämnestras Gefangene 7/2
Die
Werbung des Mannes hatte längst vergessen Geglaubtes freigesetzt. Mit
einem Mal wusste sie, dass die Verknüpfung beliebig war, dass ihre
Gefühle einer anderen Person galten. Ein jähes Eingeständnis. Der
Impuls zur Niederschrift entsprang dem Wunsch nach Klärung. Insgeheim
hoffte sie, die Reise möge nie zu Ende gehen. Später hatte sie sich
gewundert, dass es ihr nicht in den Sinn gekommen war, umzukehren, den
Zug beim nächsten Halt einfach zu verlassen.
Seit damals waren
Reisen zu einem ›Raum‹ ungestörter Vergewisserung geworden. Die
eigentümliche Erfahrung hatte noch eine andere Ebene. Für Hannah war
handgreiflich geworden, was ihr theoretisch vertraut war: Schreiben als
Reise nach innen, die sich in den schwarzen Buchstabenkolonnen
sinnfällig abgebildet fand. Auffällig war das Zusammentreffen von
erstem Schreiben und dem Gefühl, sich auf dem falschen Weg zu befinden.
Schreiben hieß, einen eigenen finden.