Renate Solbach: Camera inversa | Schreibgeräte 9/3
Das Pochen in den Schläfen ging über in ein getaktetes Hämmern. Fetzen der Melodie, die der Musikbox des Abbondanzia entströmend, den Abend grundiert hatte. Sie schien sich in die Rillen des Gehirns eingefressen zu haben und instrumentierte nun ihren Kopfschmerz. Begleitet von umherschwirrenden Silben.
Apuleio, Apuleio, daba – daba daba da. Apuleio, Apuleio, daba daba daba daba da. – Santa Maria dei Servi erstrahlte in übernatürlichem Weiß und selbst der Gehäutete, der von unten her gesehen auf der abgewendeten Seite der Kirche bei Wind und Wetter seine Haut über dem Arm zusammengefaltet den Blicken preisgab, schien ein wenig von der Musik angesteckt. Eine gräuliche Wolkenschicht überzog den Himmel und dunkelte den Anblick der Kirche ab. Im selben Moment sah Nora einen Mann die Asphaltstraße hinablaufen, die zum Monte Berico führte. Mit jedem Schritt nahm der Körper festere und schärfer geschnittene Konturen an. Seine Arme schwenkte er über dem Kopf bedeutsam hin und her. Immer schneller und schneller. »Kommt, kommt« – hörte sie ihn rufen mit einer Stimme, die aus tönenden Tiefen stieg – »Petronia bittet alle Geladenen, zu ihrem Gastmahl. Lasst euch nicht lange bitten. Sie ruft nur einmal.« Asinus Aureum...
   © Acta litterarum 2009