Renate Solbach: Camera inversa
| Medeas Töchter 1/21
Und die Männer? Erst
neulich auf dieser Fête, wo war das noch... ach ja, Gabis Geburtstag,
genau, in der alten Mühle. Stundenlang hatte dieser Mensch sie mit
Beschlag belegt. Sie hatte wieder ein paar ihrer antifeministischen
Reden geschwungen, die eher ihre Erbitterung über die Laufrichtung – Kafka lässt grüßen! – dieser... Bewegungen
musste man ja wohl sagen, widerspiegelten als irgendeine Form von
Frauenfeindlichkeit. Im Gegenteil. Stundenlang hatte dieser Typ ihr
erklärt, was für großartige und bewundernswerte Wesen diese Frauen
seien. Seine machte da keine Ausnahme. Wo er sie an diesem Abend
gelassen haben mochte? Die Schuld der Männer sei nicht
wegzudiskutieren, aber das sei ja nun alles anders. Gottseidank. Sie
gab ihm reichlich kontra, was seine Eifrigkeit nur anstachelte. Hin-
und hergerissen zwischen mühsam verbissenem Gelächter und Verärgerung
war sie ihm zu später Stunde endlich entwischt. Diese Herren, die ihre
Pirouetten auf den Schleimstraßen der Frauenideologie drehten, waren
ihr ein ebensolcher Greuel wie die Ideologie selbst – wahrscheinlich
glitt es sich wunderbar dahin, solange mann nicht ausglitt.
Schleppenträger und Schaumschläger gab es immer. Daneben gab es die
Ritter von der traurigen Gestalt, die, müde davon, sich von ihrer Dame
in den Kampf schicken zu lassen, müde von der ewigen
Jungfrauenretterei, vom Drachentöten und anderen Heldenspielen, die
Frauen beim Wort nahmen, sich im Verstehen übten. Les héros sont fatigues! Das ließen sie sich nicht nehmen. Von einer Frau schon gar nicht. Frauenversteher.
Ihr mühevoll und entbehrungsreich erworbenes Bild vom unterdrückten
Geschlecht. Die Sache hatte einen Beigeschmack, denn im Grunde hatte
ihre Rede sich nicht verändert, sie hatten – welch wunderbare
mathematische Begabung – lediglich ein Plus- statt eines Minus-Zeichens
davor praktiziert. Und wie ihnen die Rede zu Munde stand. Waren sie
nicht putzig?