Renate Solbach: Camera inversa
| Klytämnestras Gefangene 15/3
Noch einmal will ich sprechen,
ein letztes Mal,
will meinen eigenen Threnos singen.
Sicher,
ein Leben wie das ihre bot Tragödiendichtern Stoff in Fülle, doch sie
wusste auch, es würden nicht die Dinge sein, die ihr wichtig waren,
nicht die nur von ihr gewussten Beweggründe des Handelns, die auf den
Bühnen der Welt zur Darstellung gelangen würden. Der Blick der Autoren
auf die Ereignisse war gefärbt vom je eigenen Sehepunkt, war von ihren
Motiven getränkt. Wer konnte einem anderen schon in die Seele schauen?
Scribe Sibilla! War es wirklich wichtig? Unterschied sich ihr Leben und
Denken so von dem anderer Menschen, dass es wert war, festgehalten zu
werden? Oder lagen die Gründe anderswo? Sie schlug die Kladde auf und
las:
Hier liegt der Mann.
Und hier seine Kriegsbeute,
Wahrsagerin und Bettgenossin,
seine getreue Orakelhure
die im Schiff mit ihm die Planken drückte!
Sie endeten so, wie es ihnen gebührt.
Er liegt da,