Renate Solbach: Camera inversa
| Klytämnestras Gefangene 16/1
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Ins
Gespräch vertieft, ging Hannah in ihrem Zimmer auf und ab. Zuweilen
unterbrach sie ihren Gang, um ans Notebook zu eilen und etwas
aufzuschreiben. Freunde hatten ihr signalisiert, dass sie sich nicht
mehr auskennen würden mit ihr. Dabei hatte sie sich gar nicht
verändert. Und doch – zuweilen kam es ihr selbst so vor, als habe sich
ihr Inneres nach außen gekehrt und bilde eine neue glitzernde Haut, die
alle Strahlen der Umgebung auffing und in sich aufsaugte, um sie
verwandelt zurückzugeben. Dass sich
die Gedanken selbst gemacht haben, statt auf ihren Urheber zu warten.
Dieses verdutzte Gefühl nennen viele Leute heutigentags Intuition,
nachdem man es früher auch Inspiration genannt hat, und glauben, etwas
Überpersönliches darin sehen zu müssen; es ist aber nur etwas
Unpersönliches, nämlich die Affinität und Zusammengehörigkeit der
Sachen selbst, die in einem Kopf zusammentreffen. Je besser der Kopf,
desto weniger ist dabei von ihm wahrzunehmen.
–: »Wie
schön, dich endlich zu sehen! Schon lange erwarte ich dich. Es musste
geschehen. So innig waren unsere Gedanken verwoben, dass es mir
zuweilen unheimlich wurde. Eine Kraft, die konsequent die Zeit
ignoriert, lässt sich auch vom Raum nicht hindern. Doch ich rede und du
schweigst. Erhebe deine Stimme, damit ich ihren Klang höre!«