Anne Corvey: Camera inversa | Klytämnestras Gefangene 25/1
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Hannah lauschte dem alternden Schriftsteller mit einer Mischung aus Verwunderung und wachsender Beklommenheit, die sich ihr nicht erschließen wollte. Sein Tremolo hatte eine andere Färbung angenommen. Angestrengt dachte sie nach. War sie willentlich in diese Situation geraten? Schließlich war das, was die Philosophen den Willen nannten, die Straße des Schmerzes. Um sich zu erlösen, ging jeder den für ihn ummauerten Weg. Die Kausalreihen fügen sich zusammen, um sich zum Unglück zu verweben. – Will sich mir nichts zu nichts verbinden.
Mit seinen weit ausholenden Gebärden durchmaß der Schriftsteller den Raum, als inszeniere er einen rituellen Tanz. Auch sein Mund bewegte sich unablässig, aber an Hannahs Ohr drang kein Wort. Einige Lautfetzen hie und da, deren Bedeutung dunkel blieb, das Gefühl stetig wachsender Bedrohung jedoch steigerten: Geschosse, die die Grenze passierten, ohne das Bewusstsein zu streifen. Die Zeit stand still oder war abhanden gekommen.

Leise tönend
stimmt er sich ein
spannt kühn den gläsernen Bogen
die Pfeile sicher verwahrt
meidet der Jäger das Wild.
   © Acta litterarum 2009